Newsletter 10/2021 - Menschen mitnehmen beginnt mit dem Abholen

Newsletter 10/2021 - Menschen mitnehmen beginnt mit dem Abholen
"Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, wir sehen sie so, wie wir sind." Aus dem Talmud

Derselbe Ort, derselbe Standpunkt, nahezu derselbe Inhalt - und doch ergeben sich zwei völlig unterschiedliche Blickwinkel auf die Welt, welche viel Raum für Interpretation und Irritation eröffnen. Durch die Verbindung beider Blickwinkel entsteht eine umfassendere Sichtweise: Die gemeinsame EINsicht.

Oft sind unsere Wahrnehmung und die Kommunikation stark auf unsere Interessen, deren Vermittlung und die Reaktionen der Beteiligten gerichtet. Wir kategorisieren die Reaktionen gerne in richtig oder falsch bzw. gut oder schlecht, und die KollegInnen, MitarbeiterInnen oder Kunden und Kundinnen  werden von uns ebenfalls entsprechend ihrer Meinung "eingeordnet".
Doch durch diese Kategorisierung bzw. Wertung verschwindet die Tatsache aus unserem Blickfeld, dass es einen Grund für die Aussagen und Handlungen gibt. 

Dabei kann sich unsere Wahrnehmung erheblich erweitern, wenn wir uns das Zitat aus dem Talmud vergegenwärtigen: „WIR sehen die Welt so wie WIR sind.“ Es verdeutlicht, dass die Aussagen und Handlungen unserer MitarbeiterInnen, KollegInnen oder KundInnen nicht absolut sind, sondern deren Interpretation stark von unserer eigenen Haltung, unseren Werten und unserer Beurteilung abhängt.

Und die Unterschiedlichkeit in der Haltung, in den Blickwinkeln der Menschen auf Ereignisse, Ziele, Informationen usw. sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Dies veranschaulicht uns das heutige Bild: Wenn wir es „wörtlich“ nehmen, so wäre die Haltung bei der linken Hälfte eine "bodennahe", welche auf Details blickt. Die rechte Hälfte ist eine in die Ferne orientierte Haltung, welche einen größeren Kontext erfasst, jedoch das Detail aus dem Auge verliert. 

Dies legt eine der wesentlichen Gestaltungsaufgaben von Führungskräften offen: Einen Rahmen zu schaffen, welcher es ermöglicht, unterschiedliche Haltungen transparent werden zu lassen und unterschiedliche Blickwinkel "besprechbar" zu machen. Es gilt, gedanklich oder faktisch, neben jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter zu treten, um ihren bzw. seinen Blickwinkel einzunehmen, anstatt  diesen als "falsch", "schlecht" oder "unzulänglich" abzutun. Denn nur dann werden alle offenen Erfolgschancen genutzt. Erst die Integration aller Blickwinkel eröffnet zuvor unentdeckte Möglichkeiten, um scheinbar erfolglose, wirkungslose Gespräche erfolgreich zu machen; um den für MitarbeiterInnen, Kundinnen, Kunden und die Unternehmung ersehnten Mehrwert zu stiften; um das gemeinsame Ziel zu erreichen etc.

Es erfordert eine große Offenheit, ja sogar Demut der Führungskraftanzuerkennen, dass scheinbare "fehlerhafte Wahrnehmungen" von MitarbeiterInnen, Kundeninnen und Kunden ein Hinweis auf nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten sind. Denn diese sind sehr kostbar, wenn sie durch eine Anpassung der eigenen Strategie, Vorgehensweise oder Kommunikation nutzbar gemacht werden. So kann sich ein Wechsel des Standpunkts und somit auch des Blickwinkels für alle lohnen - um EINsicht auf den Unternehmenszweck und die erforderlichen Schritte herzustellen.


Was heißt das konkret in der Praxis:

  • Hinterfragen Sie sich selbst vor Gesprächen:
    • Wie stehen Sie zur "Sache"?
    • Zu welchen "Lieblingslösungen" neigen Sie?
    • Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihren GesprächspartnerInnen?
    • Welche Bedürfnisse, Sorgen und Nöte könnten Ihre GesprächspartnerInnen haben?
    • Welches Ergebnis wünschen Sie sich für alle Beteiligten aus dem Gespräch? 
  • Lassen Sie die Situation und die Gesprächsergebnisse von Ihren GesprächspartnerInnen erläutern, um deren Perspektive zu erfahren.
  • Achten Sie während des Gesprächs neben den Inhalten auf emotionale Reaktionen bei Ihnen und Ihren GesprächspartnerInnen.
  • Halten Sie während Gesprächen, insbesondere in emotionalen Situationen inne, um die Emotionen nicht handlungsleitend werden zu lassen.

Herzliche Grüße

Impuls 10/2021 - Menschen mitnehmen beginnt mit dem Abholen

Hans Grasser
Geschäftsführer

Berater und Führungskräfte-Coach mit umfassender Erfahrung in der Organisationsentwicklung, Change-Management, Projektmanagement und Prozessmanagement.
Nebenberuflich Verwaltungsleiter und Dozent für Finanzmanagement.


Impuls 10/2021 - Menschen mitnehmen beginnt mit dem Abholen

Laura Hölzlwimmer, M.A.
Geschäftsführerin

Verwaltungsleiterin eines Verbunds mehrerer Kindertageseinrichtungen. Nach ihrem Studienabschluss (Geschichte, Interkulturelle Kommunikation und Slavistik) arbeitete sie im Wissenschaftsmanagement an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2020 ist sie Dozentin und Beraterin für Führungskräfte im Bildungsbereich. 


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